Die Filmstarts-Kritik zu Dallas Buyers Club (2024)

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Dallas Buyers Club

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

4,0

stark

Dallas Buyers Club

Von Andreas Staben

Lange Zeit wurde Matthew McConaughey von vielen Kritikern als schauspielerisches Leichtgewicht abgetan. Für sie fiel er nur dadurch auf, dass er in seichten romantischen Komödien wie „Ein Schatz zum Verlieben“ oder „Zum Ausziehen verführt“ seinen gut trainierten Oberkörper präsentierte. Diese Sicht war einseitig, denn der texanische Sonnyboy hat sein wahres Potential und seine Starqualitäten schon früh in seiner Karriere gezeigt – sowohl in kleineren Parts wie der Kultfigur Wooderson in „Confusion – Sommer der Ausgeflippten“, als auch in Hauptrollen etwa in Steven Spielbergs „Amistad“ oder in „Die Jury“. So sind die ganzen Storys über den „neuen“ McConaughey, die seit seinen Auftritten in „Killer Joe“, „Magic Mike“ und „Mud“ verfasst werden, meist ein bisschen übertrieben, aber wahr ist ohne Zweifel, dass der vermeintliche Schönling nun endlich den Respekt der Filmwelt erhält, den er verdient. Das neueste Zeichen dieser frischen Wertschätzung ist seine Auszeichnung mit dem Golden Globe für seine Leistung als kämpferischer AIDS-Kranker in Jean-Marc Vallées sensibel-sachlich erzähltem Drama „Dallas Buyers Club“. Für diese Rolle hat McConaughey rund 25 Kilo abgenommen, aber noch beeindruckender als die ebenso erstaunliche wie beängstigende äußere Verwandlung ist seine Fähigkeit, das widersprüchliche Innenleben der Figur zum Ausdruck zu bringen. Durch ihn und seine Kollegen Jared Leto und Jennifer Garner wird aus einem beachtlichen Film ein auch emotional nachhaltiges Kino-Erlebnis.

Dallas 1985. Der Rodeo-Cowboy und Elektriker Ron Woodroof (Matthew McConaughey) liebt das Risiko und die Ausschweifung. Schneller Sex, harte Drogen, Kartenspiel und kleine Betrügereien prägen sein unstetes Leben. Als er nach einem Arbeitsunfall ins Krankenhaus muss, wird bei der Untersuchung festgestellt, dass er HIV-positiv ist: Ron bleiben nur noch 30 Tage zu leben. Der hom*ophobe Redneck will die Diagnose zunächst nicht wahrhaben, er hat AIDS für eine „Schwulenseuche“ gehalten. Ähnlich sehen es auch seine Freunde und Kollegen, die ihn nach Bekanntwerden seiner Krankheit zunehmend ausgrenzen. Nach dem ersten Schock beschließt Ron zu kämpfen. Er besorgt sich auf illegalem Wege das Medikament AZT, das sich noch in der Testphase befindet. Durch die Behandlung geht es ihm allerdings noch schlechter, sodass er sich auf eigene Faust auf die Suche nach Alternativen macht. In Mexiko wird er schließlich fündig, ein co*cktail aus in den USA nicht zugelassenen Medikamenten und Proteinen hilft ihm und er kommt auf die Idee, die Mittel in die USA zu schmuggeln und an andere Kranke zu verkaufen. Gemeinsam mit der Transsexuellen Rayon (Jared Leto), die er zu seiner Kontaktperson in der Schwulenszene macht, gründet er den Dallas Buyers Club: Gegen eine monatliche Gebühr werden die Mitglieder mit Medikamenten versorgt. So sollen die Bestimmungen der US-Kontrollbehörde FDA umgangen werden. Die hat Ron natürlich trotzdem auf dem Kieker…

Die Filmstarts-Kritik zu Dallas Buyers Club (1)

Das Drehbuch von Craig Borten und Melisa Wallack („Spieglein, Spieglein“) basiert auf der wahren Geschichte von Ron Woodroof, der 1992 an AIDS gestorben ist, sieben Jahre nachdem die Diagnose gestellt und ihm eine Lebenserwartung von 30 Tagen eingeräumt worden war. Der franko-kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée („C.R.A.Z.Y.“, „The Young Victoria“) verwendet für seine Verfilmung Elemente aus Biopics, realistischen Milieustudien und David-gegen-Goliath-Dramen, setzt sie aber allesamt so fein dosiert ein, dass sich die Erzählung mit großer Ungezwungenheit entfalten kann. Hier gibt es keine erbaulichen 180-Grad-Wendungen und keine zu Erzschurken stilisierten Bürokraten oder Pharma-Manager, auch wenn die Rollen klar verteilt sind. Diese Zurückhaltung lässt den Film manchmal fast zu nüchtern wirken, aber sie gewährt uns einen unverstellten Blick auf die Figuren und ihre Zeit. Beginnend mit den verächtlichen Bemerkungen von Ron und seinen Freunden über Rock Hudson, dessen AIDS-Erkrankung gerade publik geworden war, verdeutlicht Vallée in vielen Details die damals herrschende Mischung von Angst, schwulenfeindlichen Vorurteilen und Ratlosigkeit angesichts der verheerenden Krankheit, vom diskriminierenden Fragenkatalog der Ärzte bis zur Vermeidung jeder Berührung ist die Stigmatisierung der Infizierten spürbar.

Kapiteleinblendungen informieren uns darüber, wie viele Tage seit der fatalen Diagnose vergangen sind, der nahende Tod ist Rons ständiger Begleiter. Das wird auch durch den betäubenden Summton unterstrichen, der immer dann zu hören ist, wenn er einen Schwächeanfall hat und zusammenbricht – dieser dramatische Effekt ist in Vallées sachlicher Inszenierung eine absolute Ausnahme. Ansonsten fangen der Regisseur und sein Kameramann Yves Bélanger („Laurence Anyways“) Rons Welt von schäbigen Trailerparks, billigen Motels und Stripclubs auf der einen Seite sowie von unpersönlichen Büros und Krankenhäusern auf der anderen ohne Beigabe von künstlichem Licht in rauem, aber nicht unnötig unruhigen Handkamera-Look ein, die sehr zügige Arbeitsweise (es gab nur 25 Drehtage) trägt zusätzlich zum Eindruck unaufdringlicher Unmittelbarkeit bei. Und sie spiegelt sich auch in Matthew McConaugheys unglaublich spontan wirkendem Spiel wider: Jeder Moment wirkt absolut echt und unwiederholbar. Und so gibt es hier auch keine mustergültige Entwicklung eines vorurteilsbeladenen Machos zum toleranten Menschenfreund und Weltverbesserer, sondern das kantige Porträt eines charmanten, aber reaktionären Mannes, der längst nicht alle Kämpfe gegen seine tiefsitzenden Unsicherheiten gewinnt und der auch seine fragwürdigen Überzeugungen nicht so einfach aufgibt. McConaughey strengt sich nicht an, sympathisch zu erscheinen und wirkt daher umso menschlicher.

Die differenzierte Hauptfigur erweist sich als die wichtigste Qualität von „Dallas Buyers Club“: Ron ist der Underdog, aber er ist auch die meiste Zeit ein Egoist. Er wehrt sich aus eigenem Interesse gegen die schlechte Behandlung im Krankenhaus und als er in Mexiko beim zwangsemigrierten Dr. Vass (Griffin Dunne mit der tollen Charakter-Skizze eines pragmatischen Idealisten) bessere Medikamente findet, denkt er zuerst an die geschäftlichen Möglichkeiten, die diese bieten. Dass Ron sich auch ändert, ist am besten in den subtilen gemeinsamen Szenen mit Jared Letos („Requiem for a Dream“) Transsexueller zu erkennen: Wenn Ron im Supermarkt auf einen Ex-Kumpel losgeht, weil der Rayon als „Schwuchtel“ verhöhnt, dann ist er immer noch genauso ein Macho wie vorher, aber er ist eben auch der Freund eines Menschen geworden, für den er anfangs nur Verachtung übrig hatte. Wie Leto wiederum spielt, wie Rayon das erkennt, ist eine weitere kleine Meisterleistung und einer der bewegendsten Momente des Films. Er wurde ebenfalls mit dem Golden Globe ausgezeichnet und das passt besonders gut, weil seine Figur in ihrer sanften, mitfühlenden (und sehr weiblichen) Menschlichkeit gemeinsam mit Jennifer Garners einfühlsamer und still rebellierender Ärztin Dr. Eve Saks das Beste aus Ron und aus McConaughey hervorbringt.

Fazit: Ein herausragender Hauptdarsteller mit wunderbaren Partnern in einem unaufgeregt erzählten Film von stiller Intensität.

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